Sonderpreis „Courage“: Echte Vorbilder im Gesundheitswesen gesucht
Nicht wegschauen, wenn andere Hilfe benötigen. Nicht aufgeben, wenn die Lage kritisch ist. Nicht den einfachen Weg gehen, weil es bequemer ist. Auch in diesem Jahr gibt es neben dem regulären 1A-Award den Sonderpreis „Courage“ – für echte Vorbilder im Gesundheitswesen. Eine unabhängige Jury kürt im Juni den diesjährigen Gewinner. Das sind die vier Nominierten:
Dr. Gerald Hofner
Zwei Ärzte, zwei Freunde – und ein Herzensprojekt. Dr. Gerald Hofner und sein Praxispartner Dr. Stefan S. wollten Mitte Januar 2022 gemeinsam „med4kidz.de“ eröffnen, ein ganz besonderes Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin in Bayreuth. Mit hohem Anspruch: Persönliche Medizin nahe am Patienten, aber mit dem Niveau der Spitzenmedizin.
Spendenaufruf erzielte 200.000 Euro
Drei Tage vor der Eröffnung passierte dann das Unfassbare: Dr. S. und seine Ehefrau wurden in ihrem Wohnhaus im Schlaf ermordet. „Mein Partner hatte den mutmaßlichen Täter aus sozialen Gründen in seinem Haus aufgenommen“, erklärt Dr. Hofner, der junge Mann war der Freund der Tochter. Eine menschliche Tragödie, aber auch ein wirtschaftliches Desaster. Die Praxisräume (935 m2 in einem denkmalgeschützten Haus) wurden perfekt ausgebaut – wunderschön, kindgerecht und sehr funktionell. Durch den Tod von Dr. S. platzte die Finanzierung, als Rechtsnachfolger drohte Dr. Hofner sogar die Privatinsolvenz.
Doch der Kinderarzt kämpfte um sein Herzensprojekt. Er veröffentlichte einen Spendenaufruf im Internet, Zielsumme: 200.000 Euro. Nach wenigen Tagen war das Geld bereits zusammen. Dr. Hofner war total gerührt, damit hatte er nicht gerechnet. „Ihr seid der Wahnsinn, ich danke Euch soooo sehr. Das Geld hilft ruhiger zu werden“, schrieb der Arzt auf seinem Twitter-Account.
Das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin konnte wie geplant am 13. Januar eröffnet werden, ein hochmotiviertes Ärzteteam um Dr. Hofner kümmert sich seitdem in der „Neuen Spinnerei Bayreuth“ um das Wohl und die Sorgen von Kindern und Jugendlichen.
Tatjana Kiel
Der Krieg in der Ukraine – er hat auch viel in Deutschland verändert. Tatjana Kiel ist CEO von Klitschko Ventures in Hamburg. Früher organisierte sie die Kämpfe der beiden Boxer-Größen Wladimir und Vitali Klitschko und führte das Coaching-Unternehmen der beiden Brüder. Ihr Alltag heute? Sie ist rund um die Uhr Krisenmanagerin, kümmert sich um große Transporte von Hilfsleistungen von Deutschland in die Ukraine.
Die ukrainische Flagge kann man am Bürogebäude von Klitschko Ventures nicht übersehen. Es ist ein Bekenntnis zum Heimatland der Klitschkos. Seit Ende Februar gibt es hier nur ein ganz großes Thema: Wie können wir den Menschen in der Ukraine helfen? Was können wir mit Hilfe von großen Unternehmen organisieren? Wie bekommen wir die Hilfsgüter sicher in die Ukraine?
Bei Tatjana Kiel laufen alle Fäden zusammen, sie hat die Initiative „We are all Ukrainians“ gegründet. Das Leben der Managerin hat sich deutlich verändert. Sie sagt, sie plane nicht mehr in Jahren und Monaten, in der aktuellen Situation ändern sich Dinge von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde. Ihre Hartnäckigkeit zeigt schnell Erfolg: Große Unternehmen konnte sie zur Mithilfe überreden, Microsoft hat die Logistik auf professionelle Beine gestellt: Mit einer eigenen Plattform zum Austausch und zur Planung der vielen Aktivitäten der Initiative.
Natürlich zehren die schrecklichen Ereignisse in der Ukraine auch an den Nerven von Tatjana Kiel. Doch sie versucht, alle Emotionen aus dem täglichen Umgang mit dem Krieg außen vor zu lassen. „Wenn ich mit Vitali und Wladimir spreche, versuche ich, so klar und sachlich zu sein wie irgend möglich“, so die Managerin. Und sie wird auch nicht müde, um weitere Unterstützung zu werben. „Wir dürfen da nicht länger zugucken. Jeder von uns kann helfen“, sagt sie, „indem er oder sie an unsere Initiative oder andere Organisationen spendet.“
Ralf Steiner
Der Wünschewagen war von Anfang an eine zutiefst emotionale Sache, vom Herzen gesteuert und recht einfach umzusetzen. Man musste es nur wollen. Und der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Deutschland wollte! 2014 wurde der erste Wünschewagen („letzte Wünsche wagen“) angeschafft, inzwischen gibt es bundesweit 24 Exemplare. Was genau ist ein Wünschewagen? Ein speziell umgebauter Krankentransportwagen zur Erfüllung letzter, meist lang gehegter Wünsche von sterbenskranken Menschen.
Ein letztes Mal Delphine streicheln
„Wir freuen uns über jede Anfrage“, sagt Ralf Steiner, Initiator des Projekts und stellvertretender Vorsitzender des ASB-Ruhr. “Wunscherfüller des ASB in ganz Deutschland machen den letzten Wunsch möglich. Wir haben Ansprechpartner in jeder Region.“ In Sachsen zum Beispiel ist Ministerpräsident Michael Kretschmer Schirmherr des Projekts. „Dass die Helferinnen und Helfer da sind für die Betroffenen, ihre Angehörigen und Freunde, dass sie Kraft geben und Trost spenden durch ihr Handeln, verdient großen Respekt und Dank“, erklärt der Politiker.
Menschen am Ende ihres Lebens einen letzten Wunsch zu erfüllen: Die Wünschewagen des ASB machen es möglich. Bis heute haben fast 2.000 ehrenamtliche Wunscherfüller mehrere tausend Wünsche wahr werden lassen – den letzten Besuch der Heimatinsel, eine Reise an den Ort der Kindheit oder ein letztes Mal Delphine streicheln. Manche Wünsche sind auch richtig bodenständig: Noch einmal Dorsch im Schaumburger Land essen. Die längste Reise: 2.000 Kilometer von Erlangen nach Rimini. Eine krebskranke Frau wollte mit ihrem Mann noch einmal die Sonne an der Adriaküste erleben.
Das Projekt lebt ausschließlich von Spenden, Eigenmitteln und dem Engagement hunderter ehrenamtlicher Helfer. Die Wünsche sind für die Fahrgäste und Begleitpersonen kostenfrei. „Spenden helfen uns, die Reisekosten zu den Wunschorten, die Schulungen unserer Helferinnen und Helfer zu finanzieren“, sagt Steiner, „ebenso verwenden wir das Geld für die Anschaffung und Ausstattung der Fahrzeuge.“
Prof. Dr. Mark Oette
Er ist ein echter Vorzeigemediziner: Prof. Dr. Mark Oette arbeitet im Kölner Krankenhaus der Augustinerinnen („Severinsklösterchen“) als Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie und Infektiologie. Mindestens ein Full-Time-Job, sollte man meinen. Doch der Mediziner macht noch viel mehr: Als Obdachlosenarzt kümmert er sich im Praxisbus um Menschen ohne Krankenversicherung.
Als er vor fast 30 Jahren als junger Arzt im Kölner „Klösterchen“ anfing, arbeitete er unter anderem in der Notaufnahme. Dort gab es den ersten Kontakt mit Menschen, die auf der Straße leben. Manche psychisch beeinträchtigt, andere suchtkrank. Sie suchten Hilfe und wurden nicht abgewiesen. Doch der junge Dr. Oette wollte auch außerhalb des Krankenhauses helfen, er engagiert sich seit über 20 Jahren im Verein „Gesundheit für Wohnungslose“.
Diesen März der nächste Schritt: Prof. Oette gründete „Caya“ – die Abkürzung für Come as you are, also komm, wie du bist, in die neue Praxis für Obdachlose“, so der Mediziner. Die Umsetzung ist sehr pragmatisch: Die Praxis eröffnete in einem von zehn fest installierten Containern am Wiener Platz, die der Verein „Arche für Obdachlose“ aufgestellt hat.
Zugang zu ganz normaler medizinischer Versorgung
Für Prof. Oette ist es wichtig, dass diese Menschen, die auf der Straße leben, gesellschaftlich nicht vergessen werden. Deshalb setzt er sich bei Vorträgen für solche Projekte ein, versucht bei der Verwaltung Unterstützung zu bekommen. Am Ende könne es einfach nicht sein, dass eine Obdachlosenpraxis ausschließlich über Spenden finanziert würde, so der Arzt. Dafür gibt er alles – zusätzlich zu seinem Chefarzt-Posten, der ihn oft 60 Stunden in der Woche fordert. Sein Ziel: Zugang zu einer ganz normalen medizinischen Versorgung, mit oder ohne Krankenversicherung.