Schutzengel auf Rädern: 50 Jahre Baby-Notarztwagen
Rettungsinitiative der Björn Steiger Stiftung für 1A-Award nominiert
Vor 50 Jahren wurde der erste Baby-Notarztwagen in Deutschland angeschafft – heute ist er aus der Versorgung von Frühgeborenen und schwerkranken Neugeborenen nicht mehr wegzudenken. Dafür werden die Verantwortlichen bei der Björn Steiger Stiftung jetzt für den 1A-Award nominiert.
In den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte Deutschland mit die höchste Säuglingssterblichkeitsrate aller westlichen Industrienationen. Frühchen mussten zur besseren Versorgung noch in herkömmlichen Rettungswagen in Spezialkliniken transportiert werden. Dabei sollen Frühgeborene eigentlich möglichst gar nicht transportiert werden; zu groß sind die Gefahren für das Baby – zum Beispiel für das Gehirn durch starke Erschütterungen.
Eine Idee änderte alles. Zu ihrem besseren Schutz und zur Vermeidung von Spätschäden bei Frühgeborenen regten die Kinderärzte des Olgahospitals und der Städtischen Kinderkliniken Stuttgart an, einen eigenen Baby-Notarztwagen zu installieren. Die gemeinnützige Björn Steiger Stiftung übernahm mit dem Deutschen Roten Kreuz die Umsetzung – so wurde am 25. Juni 1974 das erste Modell in Deutschland offiziell eingeweiht.
Im Oktober 1975 kommt bei Recklinghausen (Nordrhein-Westfalen) der kleine Jochen zur Welt, sein Blut ist übersäuert. Ein Feuerwehrmann bringt den Kleinen in einer Tragetasche und ohne ärztliche Begleitung in die Klinik nach Datteln; von dort wird er per Hubschrauber in die Klinik nach Düsseldorf geflogen. Doch der Junge wird nur eine Woche alt – eine echte Chance hatte er nie.
Sein Vater Herbert Wiethoff kann den Tod seines Sohnes nicht verwinden, setzt sich deshalb persönlich für eine bessere medizinische Versorgung in Deutschland ein. Unermüdlich sammelt er als ehrenamtlicher Landesbeauftragter des damaligen Rettungsdienstes Stiftung Björn Steiger Geld, 700.000 D-Mark kommen über die Jahre zusammen.
Dank seiner guten Kontakte zu Volkswagen luchst er dem damaligen VW-Chefkonstrukteur einen VW-Bus als Rohling ab. „Den haben wir mit einigen medizinischen Geräten ausgerüstet und erste Erfahrungen gesammelt“, erinnert sich Wiethoff. Am 8. September 1979 ist es dann so weit: Die Kinderklinik in Datteln erhält ihren ersten Baby-Notarztwagen. Nur wenige Stunden nach der offiziellen Übergabe rettete genau dieses Fahrzeug dem ersten Kind das Leben.
Und wie sieht so ein Baby-Notarztwagen heute aus? Darum kümmern sich bei der Björn Steiger Stiftung Geschäftsführer Joachim von Beesten und Projektmanager Thomas Pflanz. „Seit 1974 wurde das System kontinuierlich weiterentwickelt“, erklären die beiden Experten. Seit 2012 ist die fünfte Generation des Baby-Notarztwagens, genannt „Felix“ – nach dem Schutzpatron für Schwangere und Kleinkinder, Felix von Cantalice – auf Deutschlands Straßen unterwegs. Allein im Jahr 2023 hat er mehr als 300 Frühchen schonend in Spezialkliniken gebracht.
Das Fahrzeug verfügt über ein spezielles Dämpfungssystem für einen ruhigen, erschütterungsfreien Transport und gleicht Schlaglöcher einer Tiefe von bis zu zehn Zentimetern aus. Das Rückhaltesystem „Traveller RS“ sichert das Baby zusätzlich. Außerdem mit an Bord: Der Transportinkubator „AirBORNE – AVIATOR“ mit mobilem Intensivbeatmungsgerät, Infusionspumpen und Equipment zur Stickstoffmonoxid-Therapie. Eine eigene Stromversorgung gibt es auch. Die Kleinsten werden quer zur Fahrtrichtung transportiert, das mindert die Beschleunigungskräfte.
Bis heute wird der Baby-Notarztwagen – ein Fahrzeug kostet etwa 300.000 Euro – durch Spenden und Sponsoren über die Björn Steiger Stiftung finanziert. Denn noch immer ist er nicht im Rettungsdienstgesetz verankert und wird deshalb auch nicht von Krankenkassen finanziert.
Die Nominierten:
Joachim von Beesten ist Geschäftsführer für Forschung, Innovation und Sonderfahrzeuge bei der Björn Steiger Stiftung, sein Kollege Thomas Pflanz kümmert sich seit 2010 um die Baby-Notarztwagen.
Bildquelle: Björn Steiger Stiftung