Kategorie Arzt: Wer bekommt 2024 den Sonderpreis „Courage“?
Echte Vorbilder im Gesundheitswesen gesucht
Nicht wegschauen, wenn andere Hilfe benötigen. Nicht aufgeben, auch wenn die Lage kritisch ist. Nicht den einfachen Weg gehen, weil es bequemer ist. Auch in diesem Jahr gibt es neben dem regulären 1A-Award den Sonderpreis „Courage“ – für echte Vorbilder im Gesundheitswesen. Eine unabhängige Jury kürt im Juni den Gewinner. Das sind die vier Nominierten.
Elisabeth Makepeace
Ihre Idee hat schon vielen kleinen Patienten ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert: Vor über 25 Jahren gründete Elisabeth Makepeace den Verein „KlinikClowns Bayern e.V.“ Angefangen hat alles, als die Schauspielerin, Regisseurin und gebürtige Wienerin auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung war. „Besonders gereizt hat mich die Kombination aus künstlerischer Arbeit und sozialem Engagement“, sagt die engagierte Gründerin. Zuerst schlüpfte sie selbst mit zwei weiteren Künstlern in die Rolle der KlinikClowns. Mittlerweile sind 70 Clowns freiberuflich bei ihr tätig.
Aber wer genau steckt eigentlich hinter den roten Nasen, den geschminkten Gesichtern und in den übergroßen Clown-Schuhen? Grundvoraussetzung sei eine künstlerische Ausbildung, ein großes Improvisationsgeschick, ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und eine hohe Teamfähigkeit. Einige Clown-Tandems bestehen bereits seit 25 Jahren.
Der Einsatz der KlinikClowns in Krankenhäusern, Pflege- und Therapieeinrichtungen basiert auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Lachen und Humor überaus positive Auswirkungen auf den Allgemein- und Gesundheitszustand haben und Heilungsprozesse fördern. Die Clowns besuchen die Kinder regelmäßig und bleiben bis zu drei Stunden in der Klinik.
Weil die Clowns zu zweit auf Visite gehen, können sie aus der Interaktion heraus ein besonderes Spiel gestalten. Schüchterne Menschen können dem Spiel auch einfach zusehen, wenn sie nicht einbezogen werden wollen. Und emotional herausfordernde Situationen können zu zweit oft besser aufgefangen werden.
Um die Arbeit der KlinikClowns für die Zukunft zu erhalten und zu sichern, hat der Verein 2022 die gemeinnützige „Stiftung Lachen Schenken–KlinikClowns“ gegründet.
Dr. Dr. Gregor Stavrou
Es ist eine Geschichte mit Happyend, sie erzählt von Mut und Können: Es geht um Dr. Dr. Gregor Stavrou. Er ist Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie und Chirurgische Onkologie im Winterberg-Klinikum Saarbrücken.
Eine sehr verzweifelte Patientin wandte sich an den erfahrenen Mediziner. Sie hatte eine niederschmetternde Diagnose bekommen: Bauchspeicheldrüsenkrebs. Eine CT-Aufnahme zeigte einen aggressiven Tumor an einer Stelle, die inoperabel schien. Andere Experten gaben die Patientin auf, empfahlen eine palliative Chemotherapie.
Die betroffene Familie kämpfte weiter, der Ehemann der Patientin fand ein Porträt über Dr. Dr. Stavrou in der Saarbrücker Zeitung. Die Überschrift: „Der Mann, der Lebenszeit schenken will“. Eindrücklich beschrieben wird dort, dass der Arzt auch Schwerkranke mit schlechter Prognose nicht aufgibt.
Schnell wird klar, die Patientin kann nur durch eine sehr seltene und risikoreiche Operation gerettet werden. Dr. Dr. Stavrou plant den Eingriff bis ins letzte Detail. Erst eine Chemotherapie, damit der Tumor schrumpft. Dann soll er mit einer ganz speziellen OP-Technik entfernt werden – sie wird „Appleby“ genannt, nach einem kanadischen Chirurgen.
Und der Operateur verschweigt auch nicht, dass sein Plan bis an die Grenze des chirurgisch Machbaren gehe. Ein Expertenteam um Dr. Stavrou operiert über fünf Stunden lang, der Chef trägt dabei eine computergestützte Brille, die ihm in 3D-Bilder umgewandelte CT-Aufnahmen von Bauchspeicheldrüse und ihrer Umgebung ins Blickfeld einspiegelt und somit auf den operierten Bereich projiziert. Die Risiko-OP gelingt. Dr. Stavrou bescheiden: „Wenn nur außergewöhnliche Techniken und Ansätze helfen können, ist ein starkes Team erforderlich.“
Dr. Vitor Gatinho
Er ist Facharzt für Kinder und Jugendmedizin in Frankfurt am Main und Autor des Bestsellers „Wenn der Rotz läuft und der Pups drückt“. Unter dem Namen „Kids.Doc“ begeistert Dr. Vitor Gatinho seine 684.000 Follower auf Instagram mit regelmäßigen Fragerunden, aktuellen Infos und Ratschlägen voller Herz und Humor zum Thema Kindergesundheit. Der 41-Jährige mit portugiesischen Wurzeln hat als „Kids.Doc“ große Bekanntheit vor allem unter jungen Eltern erlangt. Momentan arbeitet er nebenher an einer App.
Der Tausendsassa war ein guter Schüler und kam eher durch Zufall zum Medizinstudium. Erst will er Unfallchirurg werden, doch als er in der Kinderklinik arbeitet, wechselt er seine Meinung. Er wird Kinderarzt. 2020 während der Pandemie kommt er auf die Idee, einen TikTok-Kanal zu eröffnen mit informativ-lustigen Videos, in denen er Tipps und Ratschläge als Kinderarzt gibt: offen, nahbar und gut verständlich. In kurzer Zeit sammelt er viele Follower. Mittlerweile folgen ihm bei Instagram fast eine halbe Million Menschen.
Ein Grund für Dr. Gatinho Erfolg ist seine verständnisvolle, unprätentiöse und direkte Art. „Ich sage lieber Kacka als Stuhlgang.“ Da wisse jeder, was gemeint sei. Was ihm ganz wichtig sei: Die Leute müssen ihn verstehen. „Ich muss mich auf mein Gegenüber einstellen.“ Auch in der Praxis achte er darauf, dass die Patienten nicht mit mehr Fragen rausgehen als sie reingekommen sind. Er müsse die medizinischen Sachverhalte in einfache, verständliche Sprache übersetzen. Ein Beispiel für einen sehr pragmatischen Ratschlag: „Wir sind evolutionär gesehen nichts anderes als Affen, die Netflix gucken. Also darf man auch sein Baby tragen ohne schlechtes Gewissen.“
Dr. Jördis Frommhold
Die COVID-19-Pandemie – für einige Betroffene ein radikaler Wendepunkt im Leben: Dr. Jördis Frommhold etablierte mit dem „Institut Long Covid“ ein deutschlandweit bisher einzigartiges innovatives Modellprojekt, das sich auf ihre ausgewiesene Expertise aus der Behandlung tausender Menschen in der Rehaklinik Heiligendamm seit Beginn der Pandemie im April 2020 gründet.
Das Institut konzentriert sich auf die Beratung der Betroffenen (Patientenlotsenfunktion). Untersuchungsbefunde werden sachlich eingeordnet, Therapiemöglichkeiten erläutert und praktische Anwendungen geschult. Ergänzend werden neben ärztlicher Aufklärung zum Krankheitsbild auch physiotherapeutische, psychotherapeutische, ergotherapeutische und sozialmedizinische Aspekte analog, aber auch digital einbezogen. Ziel dabei ist es, wieder ein möglichst normales Leben führen zu können und Belastungen durch lange Arbeitsunfähigkeitszeiten abzuwenden.
Leider keine guten Nachrichten: Das Institut zur Betreuung von Menschen mit Coronaspätfolgen in Rostock muss leider nach weniger als zwei Jahren wieder schließen. Nach dem Auslaufen der Förderung durch das Land sei der Betrieb nicht mehr wirtschaftlich. Ein Grund sei, dass die Betreuung bislang nicht in die Regelversorgung aufgenommen wurde.
Dr. Frommhold studierte Humanmedizin an der Universität zu Lübeck. Im Mai 2020 übernahm sie die Chefarztstelle der Abteilung Pneumologie der Median-Klinik Heiligendamm, wenig später wurde sie Chefärztin der Klinik. Sie ist seitdem insbesondere auf die Behandlung von Patienten mit Long COVID spezialisiert. Im Dezember 2021 gehörte sie zu den Gründern des interdisziplinären Ärzte- und Ärztinnenverbandes Long COVID und wurde zu dessen erster Präsidentin gewählt.