Kategorie Apotheke: Wer bekommt 2024 den Sonderpreis „Courage“?
Echte Vorbilder im Gesundheitswesen gesucht
Nicht wegschauen, wenn andere Hilfe benötigen. Nicht aufgeben, auch wenn die Lage kritisch ist. Nicht den einfachen Weg gehen, weil es bequemer ist. Auch in diesem Jahr gibt es neben dem regulären 1A-Award den Sonderpreis „Courage“ – für echte Vorbilder im Gesundheitswesen. Eine unabhängige Jury kürt im Juni den Gewinner. Das sind die vier Nominierten der Kategorie „Apotheke“.
Konstantin Schwarzmüller
… hat seinen Abschluss als PTA 2001 gemacht, arbeitet in Teilzeit in einer kleinen Landapotheke in Südbaden. Als er 19 Jahre alt war, erhielt er eine niederschmetternde Diagnose: Er litt unter einer schizophrenen Psychose.
Das stellte sein ganzes Leben auf den Kopf. Doch an Aufgeben und den Job an den Nagel hängen – daran dachte er keine einzige Minute. Die psychische Erkrankung gehört zu seinem Alltag, seine Erfahrungen hat er in einem sehr emotionalen Buch verarbeitet.
Unter dem Titel „Freiburg – Paris: Grenzerfahrungen aus dem Leben eines jungen Mannes“ schildert er mutig und mit großer Offenheit viele Stationen in seinem Leben. Und eben seinen ganz persönlichen Weg aus der Psychose. Das Buch ist ein Plädoyer dafür, sich trotz aller Misserfolge, Diskriminierungen und anderen Widrigkeiten den Optimismus nicht nehmen zu lassen. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Enttabuisierung psychischer Krankheiten in der Gesellschaft.
Sein eigener Berufsweg war krankheitsbedingt nicht gerade. Ein Pharmazie-Studium musste er mangels Unterstützung abbrechen. Jetzt arbeitet er mit einer halben Stelle in seinem Ausbildungsberuf.
Jörg Spillner
…ist Apotheker und führt die Deich-Apotheke in Cuxhaven. Und damit hat er auch schon alle Hände voll zu tun. Doch ca. 50 Kilometer Luftlinie von ihm entfernt bahnte sich ein Versorgungsdrama an. Am Ende rettete er die Inselapotheke auf der Insel Wangerooge.
Die Geschichte dahinter: Nach zehn Jahren zieht es die Betreiberin der einzigen aufs Festland. Im Landkreis wollte niemand ihre Nachfolge antreten. Ein echter Schlag für die rund 1.300 Einwohner und den 12.000 Urlaubsgästen im Sommer. Was tun?
Eine Annonce lockte einige Interessenten an, darunter auch Jörg Spillner. Aber zu einer Einigung kam es nicht – es war zu kompliziert. Auch sollten die Räume der Inselapotheke plötzlich verkauft werden. Insel-Ärzte schlugen Alarm, die Medikamenten-Versorgung war gefährdet, sogar Wangerooges Status als Heilbad war in Gefahr.
Die Bürgermeisterin startete einen Last-Minute-Versuch bei Jörg Spillner. Der Vermieter machte dann doch mit – und am 1. November letzten Jahres war die Inselapotheke gerettet. „Den Mietvertrag schickte der Vermieter auf den letzten Drücker per Mail aus seinem Mallorca-Urlaub“, erzählt Spillner schmunzelnd.
Mohamed Khomassi
…nennen alle nur „Mo“. Er stammt ursprünglich aus dem Libanon, hat seine Wahlheimat in Jülich (NRW) gefunden. Er ist bei der Stadt angestellt und engagiert sich seit sehr vielen Jahren dort ehrenamtlich für notleidende Menschen und für die Integration Geflüchteter. Und er großer Netzwerker und Macher.
Nur ein Beispiel: 2021 baute er die „Libanon-Hilfe“ auf für Opfer der Hafenexplosion in Beirut zur Unterstützung primär von Kranken, Kindern und Müttern mit Neugeborenen. Er spricht neben Deutsch auch fließend Arabisch, das brachte viele Dinge schneller ans Ziel.
Und Khomassi macht keine halben Sachen. So hatte er im letzten Jahr dafür gesorgt, dass eine ganz besondere Apotheke in Beirut eröffnen konnte. Dort erfolgte die Medikamentenausgabe zwar nach Rezeptvorlage, ist aber kostenfrei für die Kranken. Möglich wurde das, weil eine Jülicher Apotheke Medikamente spendete und fehlende Arzneien durch Spenden gekauft werden konnten.
200 Familien wurden bisher schon betreut. Sie benötigen Medikamente wegen Blutdruckhochdruck, Epilepsie oder einer Krebserkrankung. Aber auch Windelpakete für Kinder sowie Babynahrung sind verfügbar.
Annette Dunin von Przychowski
…ist eine Apothekerin in Berlin und engagiert sich sehr stark für ihre Berufsgruppe. Nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. 2016 startete sie zusammen mit dem damaligen Präsidenten der Apothekerkammer das sehr erfolgreiche Projekt „Pharmazie schafft Arbeitsplätze“ – kurz „Phascha“.
In Kooperation mit der Arbeitsagentur opfern seitdem rund zehn Berliner Apotheker regelmäßig ihre Freizeit, um jungen Menschen in Vorträgen an Schulen und bei Schnupperpraktika die Welt der Pharmazie zu erklären. Dabei gibt es nicht nur einen Blick hinter die Kulissen von Offizin-Apotheken, sondern es wurde auch Besuche in der Produktion von Pharma-Unternehmen oder am pharmazeutischen Institut der Freien Universität Berlin ermöglicht.
Annette Dunin von Przychowski möchte den Nachwuchs für die Möglichkeiten der Pharmazie begeistern, deshalb ist ihr die Lebensnähe wichtig. „Wenn man Schüler anspricht, sie nach Arzneimitteln fragt, die sie selbst einnehmen, ist das ein Türöffner“, so die Apothekerin. Und es vermittelt vor allem eines: „Dass der Apotheker primär ein akademisch freier Heilberuf ist und nur in zweiter Linie eingetragener Kaufmann.“