Kategorie Apotheke: Sonderpreis „Courage“ für Mohamed „Mo“ Khomassi
Nicht wegschauen, wenn andere Hilfe benötigen. Mohamed „Mo“ Khomassi (41), Angestellter bei der Stadt Jülich (NRW), überlegt nicht lange, er handelt. Für sein Projekt „Libanon-Hilfe: Kostenlose Medikamente für Beirut“ wurde er jetzt mit dem Sonderpreis „Courage“ des 1A-Awards ausgezeichnet. Das Interview mit dem Gewinner.
Sie stammen selbst aus dem Libanon, wie sind Sie nach Deutschland gekommen?
Mit meiner ganzen Familie sind wir 1989 aus dem Libanon vor dem Bürgerkrieg geflüchtet. Da war ich fünf Jahre alt. Die Ankunft in Deutschland war schon sehr aufregend. Kurz vor der Wende setzte uns ein Schleuser in Ost-Berlin ab. Weil meine Mutter ein Kopftuch trug, ließen sie uns nicht nach West-Berlin. Als die Bewacher abgezogen waren, sind wir alle durch einen kleinen Spalt durch die Mauer ins neue Leben geschlüpft.
Was machen Sie beruflich?
Ich bin im Sozialamt der Stadt Jülich für die Asylunterkünfte zuständig. Wir arbeiten hier auf Augenhöhe, das gefällt mir gut. Die Menschen brauchen uns, wir helfen sehr pragmatisch. Ich spreche Deutsch und Arabisch – das baut Vertrauen auf. Jülich ist mein neues Zuhause, ich möchte nirgendwo anders leben.
Am 4. August 2020 explodierten in der libanesischen Hauptstadt Beirut 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat. Durch die Explosion wurden 190 Menschen getötet. Tausende wurden verletzt, große Teile der Umgebung beschädigt.
Warum haben Sie sich entschieden, sofort und mit ganzem Herzen im Libanon zu helfen?
Die Schwester meiner Frau hat aus dem Libanon angerufen und ist aufgrund der Notlage am Telefon in Tränen ausgebrochen. Sie hatte ein fünf Monate altes Baby und wusste nicht mehr weiter. Es gab teilweise kein Geld, kein Essen, keine Pampers. Kinder starben. Ich habe selbst drei Kinder. Nach dem Telefonat wusste ich: Ich muss jetzt etwas tun!
Wie sieht die Hilfe konkret in Beirut aus?
Wir haben dann sehr schnell eine Art „Apotheke“ in Beirut eröffnet. Möglich wurde das, weil mehrere Jülicher Apotheken Medikamente spendeten. Was fehlte, konnte durch Geldspenden zugekauft werden. Vor Ort erfolgt jetzt die Medikamentenausgabe zwar nach Vorlage eines Rezeptes, ist aber kostenfrei für die Kranken.
Wie haben Sie einen Unterstützer in Beirut gefunden?
Zufällig habe ich Dr. Mohamed Hamoud in einem Schwimmbad in Beirut kennengelernt. Der Arzt unterstützte uns sofort ehrenamtlich vor Ort. Er stellte die Apotheken-Räume zur Verfügung und überwacht die Ausgabe. Schließlich können Schmerzmittel oder verschreibungspflichtige Medikamente nicht unkontrolliert abgegeben werden.
Womit konnten Sie bislang helfen?
Rund 200 Familien wurden bisher schon betreut. Sie benötigen regelmäßig Medikamente wegen Bluthochdruck, Epilepsie oder einer Krebserkrankung. Aber auch Windelpakete für Kinder und Erwachsene sowie Babynahrung sind hier verfügbar. Wer kein Geld für einen Arztbesuch hat, erhält kostenlos eine Erstversorgung bei Dr. Hamoud – ohne Ansehen von Nationalität und Religionszugehörigkeit.
Ist Helfen für Sie selbstverständlich?
Als ehemaliger Flüchtling ist es für mich „Ehrensache“, jetzt selbst Flüchtlinge zu unterstützen. Auch wenn mich inzwischen eine Erkenntnis eingeholt hat: Du kannst nicht für alle da sein! Aber Verantwortung und Unterstützung – das sind die beiden Säulen, die mir in meinem Leben sehr wichtig sind.
Bildquellen: 1 A Pharma